Der Pitch: Zeit für ein Comeback
Der Pitch ist in Verruf geraten. Was ist passiert?
Trotz allem: Der Pitch bleibt!
Aber wann macht Pitchen Sinn?
Und wie machen wir den Pitch wieder salonfähig?
Eines der prägendsten Projekte meiner Laufbahn auf Agenturseite war es, das erste Online-Ticketing der FIFA zu entwickeln und zu launchen – für die Fußball Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea 2002. Damals ein wahres Pionierprojekt. Wir fanden es unfassbar cool, dass wir Tickets über das Internet verkaufen wollten. Es war ein großartiger Spirit in dem Agentur-Kundenteam. Wir wollten Neues schaffen, wir hatten eine gemeinsame Vision und gemeinsame KPIs. Wir wollten zeigen, das Online-Ticketing funktioniert und den herkömmlichen Kartenverkauf auf eine vollkommen neue Ebene hebt.
Dieses Projekt hat mir gezeigt, wie stark ein Kunden-Agenturteam sein kann und welcher Mehrwert gemeinsam geschaffen werden kann. Richtig zusammengestellte Kunden-Agenturteams steigern den Wert eines Unternehmens und machen es zukunftsfähig. Dafür gibt es viele Beispiele. Der Schlüssel zum Erfolg sind langfristige, erfolgreiche Agentur-Kundenteams, Agentur-Set-Ups und Agenturmodelle. Dabei geht es um Effizienz, Qualität, Vertrauen und Spaß in der Zusammenarbeit.
Der richtige Agenturpartner oder Agentur-Set-Up hat das Potential, zusammen mit dem Kunden einen großen Unterschied für das Unternehmen zu machen. Nur wie finde ich den richtigen Partner für meine Aufgabe, Situation und Budget? Der Erfolg in der Zusammenarbeit fängt bei der Wahl des Partners an, geht weiter über die Vertragsgestaltung, über die Definition der Schnittstellen bei Agentur-Set-Ups, über Prozesse und gemeinsame KPIs.
Der Pitch ist in Verruf geraten. Was ist passiert?
Der Pitch ist ein häufig eingesetztes Auswahlverfahren. Aber in den letzten Jahren ist Pitchen in Verruf gekommen. Pitches sind teilweise viel zu aufwendig. Für Dienstleister und Unternehmen. Die Pitch-Aufgabe zu umfangreich, das Budget, was vergeben werden soll, zu klein und oft gibt es zu viele Pitch-Teilnehmende. Und manchmal gibt es gar kein Budget oder Projekt, was vergeben werden soll, sondern es geht allein darum, Ideen zu sammeln. Es werden keine Kriterien vereinbart, anhand derer Entscheidungen getroffen werden, Entscheidungsprozesse sind intransparent und subjektiv. Oft geht es nur um Show, nicht um Qualität und schon gar nicht um Dialog im Prozess. Mein persönlich größter Pitch-Albtraum auf Agenturseite war es, einen Pitch zu gewinnen – und dann gab es gar keinen Auftrag.
So ist der Pitch als Auswahlverfahren vor allem auf Dienstleisterseite in Verruf geraten. Die Folge: Viele Agenturen und Dienstleister lehnen mittlerweile Pitches kategorisch ab.
Trotz allem: Der Pitch bleibt. Warum eigentlich?
Ein gut geführter Pitch kann zu sehr guten Ergebnissen führen. Weil so die Vergleichbarkeit in Preis und Leistungsfähigkeit einer Agentur sichergestellt ist. Ein guter Pitch-Prozess gibt dem Unternehmen Sicherheit in der Entscheidungsfindung, die richtige Agentur oder Agentur-Set-Up auszuwählen. Ein gut vorbereiteter Pitch-Prozess liefert inhaltliche Ergebnisse von hoher Qualität.
Ich erinnere mich noch gut an einen Pitch, bei dem es um einen Auto-Konfigurator ging, der später fast so umgesetzt wurde wie im Pitch gezeigt. Das war eine super Pitch-Erfahrung und enorm viel Energie auf Agentur- und Kundenseite freigesetzt hat. Im Wettbewerb mit anderen entstehen oftmals die besten Ergebnisse. Wettbewerb spornt an, fördert Kraft und Kreativität. Und kann so wirklich Spaß bringen.
Wann macht Pitchen Sinn?
Bei Aufgaben, die den Unterschied für das Unternehmen machen, bei Aufgaben, die richtungsweisend und erfolgskritisch für ein Unternehmen sind, macht ein Pitch-Prozess für die Auswahl des richtigen Partners auf jeden Fall Sinn. Dann geht es oftmals um größere Etats und eine Vergabe für mehrere Jahre. Der Einkauf benötigt vergleichbare Angebote und einen revisionssicheren Prozess. Die Entscheidungsfindung muss objektiv und die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Partner zu finden, groß sein.
Pitchen ermöglicht es Unternehmen, verschiedene Agenturen und deren Konzepte direkt zu vergleichen – inhaltlich und preislich. Dies schafft Transparenz und hilft den Entscheidern und Entscheiderinnen, eine fundierte Wahl zu treffen, welche Agentur oder Set-Up am besten zu ihren Bedürfnissen, Aufgaben und Zielen passt. Dies gilt vor allem für die Bereiche Kreativität, Innovation und – nicht zu unterschätzen – Prozess. Kreativität geht über die Entwicklung einer Kampagnenidee hinaus. Es geht um neue Ideen und Konzepte in allen Bereichen des Marketings und Kommunikation, wie z.B. Experience Design, digital Experience, Community, Social Media, etc.
Der Pitch-Prozess vermittelt ein solides Maß an Sicherheit, da Unternehmen sehen können, wie die Agentur auf spezifische Herausforderungen und Feedback aus Gesprächen reagiert. Ist der Pitch gut geführt, wird die Leistungsfähigkeit einer Agentur klar erkennbar. Dies hilft, Vertrauen aufzubauen, minimiert das Risiko und steigert die Qualität für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der Zukunft.
Ein Pitch gibt Agenturen die Möglichkeit, ihre kreativsten und innovativsten Ideen vorzustellen und sich mit dem Wettbewerb zu messen. Gut gestellte Pitch-Aufgaben können richtig Spaß bringen, setzen innovative und kreative Energie in der Agentur frei und sind so ein echtes Highlight für das Pitch-Team.
Der Pitch bleibt also ein sinnvolles Instrument, um die besten Partner für kreative, innovative und strategische Projekte zu finden, da der Prozess Transparenz, Vergleichbarkeit, Dialogmöglichkeiten und eine Plattform für Innovation bietet. Kreativität ist in diesem Zusammenhang weiter gefasst als die Entwicklung der großen Idee. Es geht auch z.B. um die Kreativität in der Website-Konzeption, die beste digital Experience, neuen Ideen für die Customer Journey oder Experience Design an den unterschiedlichen Kontaktpunkten. Nur um ein paar Bereiche zu nennen.
Auch in anderen Branchen ist der Pitch ein bewährtes und sinnvolles Instrument. In der Architekturwelt gibt es Wettbewerbe um den besten Entwurf, Start-Ups pitchen um Investoren und Private Equity Investoren pitchen um Targets, die auf dem Markt sind.
Wie machen wir den Pitch wieder salonfähig?
Klarheit vor dem Pitch: Worum wird eigentlich gepitcht?
Die Aufgabenstellung, Ziele, Budget und Scope-of-Work sollten vorab feststehen. Das klingt logisch, aber leider ist dies nicht immer der Fall. So meine Erfahrung.
Bevor ein Pitch in Betracht gezogen wird, muss das Unternehmen sicherstellen, dass es neben der Pitch-Aufgabe, einen klaren und kalkulierbaren Scope-of-Work gibt. Dieser sollte präzise formuliert sein und alle relevanten Informationen enthalten, die die Agenturen benötigen, um zielgerichtete, fundierte Konzepte und Kalkulationen zu entwickeln. Aus diesen Informationen ergibt sich ebenso die Rollenverteilung innerhalb eines Agentur-Set-Ups und zwischen Dienstleister und Unternehmen.
Das Unternehmen sollte einen Pitch nicht dazu einsetzen, die eigenen Ziele und Aufgaben zu klären. Vielmehr ist der Pitch der Moment, in dem verschiedene Agenturen ihre kreativsten, innovativsten Ideen präsentieren und aufzeigen, wie sie die vorgegebenen Ziele erreichen können. Wenn das Unternehmen jedoch selbst noch unklar über seine Ziele und Aufgaben ist, kann ein Pitch diese Unklarheiten nicht lösen. In solchen Fällen sind alternative Methoden wie Workshops oder ein Strategie-Projekt sinnvoller.
Was konkret bedeutet: Ein präzises und umfassendes Briefing ist essenziell. Auftraggeber sollten klare Ziele und Budgetvorgaben kommunizieren. Dies reduziert Missverständnisse und ermöglicht den Agenturen, zielgerichtete und realistische Konzepte (gemäß Budget) zu entwickeln und eine Entscheidung über die eigene Investition zu treffen.
Grundlage für die Vergleichbarkeit: Eine gute Definition des Scope-of-Works
Das Herzstück eines Pitchs ist die Beschreibung des Scope-of-Works, den die Agentur/der Dienstleister im Anschluss übernehmen soll. Oft ist dieser nur unzureichend definiert und macht eine kluge Angebotsabgabe sehr schwierig – mit allen Nachteilen für die Agenturen und den Kunden.
Es sollte daher viel Zeit in eine detaillierte und klare Beschreibung des Scope-of-Works investiert werden. Je weniger Interpretationsspielräume in der Beschreibung bleiben desto besser. Denn so wird die Grundlage für die Vergleichbarkeit der Kalkulationen und Angebote geschaffen
Eine angemessene Pitch-Vergütung schafft Vertrauen
Ein ernst gemeinter Pitch zeigt sich zudem daran, dass es eine vernünftige Vergütung gibt. Eine Vergütung, die tragbar für die Unternehmen ist und zugleich die Investition der Agenturen abmildert.
Weniger ist mehr. Limitierte Anzahl an Teilnehmenden
Auch beim Pitchen gilt die Regel: Weniger ist mehr. Eine Beschränkung der eingeladenen Agenturen auf eine handhabbare Anzahl (z.B. drei bis fünf) verhindert unnötigen Aufwand und erhöht die Qualität des Prozesses und steigert die Chancen jeder teilnehmenden Agentur, ausgewählt zu werden.
Mit Transparenz steigt die Qualität
Transparenz darüber zu schaffen gegen wen und wie viele Mitbewerber gepitcht wird, ist nicht von Nachteil. Es gibt den Agenturen die Möglichkeit, ihre Chancen besser einzuschätzen und trifft eine Aussage darüber, was für ein Partner gesucht wird. Alle können sich dann entsprechend aufstellen, was eine höhere Qualität verspricht.
Wir bei Observatory International legen großen Wert darauf, klare, inhaltlich Kriterien für die Entscheidungsfindung gemeinsam mit dem Kunden zu definieren. Dies macht zum einen den Prozess revisionssicher und zum anderen wiederum allen Stakeholdern deutlich, was wichtig ist und worauf der Fokus bei der Entscheidung gelegt werden sollte.
Transparenz über die definierten Kriterien schafft Vertrauen, macht den Entscheidungsprozess nachvollziehbar und steigert die Qualität.
Mehr Dialog. Weniger Show
Je mehr Kontaktpunkte zwischen Agentur und Unternehmen im Pitch-Prozess möglich sind, desto besser. Es geht um engen, professionellen Austausch und nicht um Show.
Wer versteht den Kunden am besten? Wer stellt die richtigen Fragen? Und wer setzt das Feedback am besten um? Auch oder gerade für Unternehmen bieten Gespräche und persönliche Termine während des Pitch-Prozesses die wertvolle Gelegenheit, die Arbeitsweise der Agentur hautnah zu erleben. Denn Marketing-Verantwortliche können beobachten, wie Feedback aufgenommen wird und welche Fragen gestellt werden. Je mehr Dialog, desto höher die Sicherheit und Qualität der Entscheidung. So sollte jeder Pitch-Prozess persönliche Termine vorsehen, wie Chemistry Meetings, Briefing-Termine, Q&As und/oder Midpoint-Workshops vor dem eigentlichen Pitch. Diese Termine können gerne auch teilweise virtuell stattfinden, damit der Aufwand realistisch bleibt. Wir alle haben uns an Video-Calls gewöhnt, darin steckt die Chance innerhalb eines Pitch-Prozesses wieder mehr Termine einzuplanen. Lasst sie uns nutzen. Je mehr Kontakte zwischen Agentur und Unternehmen in der Pitch-Phase möglich sind, desto besser die Qualität des Ergebnisses.
Zusammengefasst macht Pitchen Sinn für größere, strategisch wichtige Projekte mit bedeutendem Einfluss auf das Unternehmen. In diesen Fällen kann ein gut durchgeführter Pitch die Vergleichbarkeit von Preis und Leistung sicherstellen, Transparenz im Entscheidungsprozess schaffen und den richtigen Partner für eine langfristige, erfolgreiche Zusammenarbeit finden.
Als ich noch auf Agenturseite war, habe ich es geliebt zu pitchen. Meistens gab es tolle Aufgaben zu lösen, die das Team herausgefordert, stimuliert und begeistert haben. In gut zusammengestellten Pitch-Teams wird eine einzigartige Energie freigesetzt. Ein Pitch kann ein ganz besonderes Erlebnis sein. Ein großer Pitch-Gewinn kann eine Agentur verändern und damit kann jedes Pitch-Teammitglied entscheidend zum Erfolg einer Agentur beitragen. Auch in jungen Jahren eines Berufslebens. Gute Pitch-Erlebnisse vergisst man nicht und die Geschichten werden jahrelang erzählt. Gutes Pitchen macht die Arbeit in Agenturen aus.
Ich persönlich mag den Wettbewerb. Ich finde es großartig, mich zu messen und dann am liebsten zu gewinnen. In gut gemachten Wettbewerben können wir alle über uns hinauswachsen. Diese Erfahrung sollten wir uns nicht nehmen lassen.
Also lasst uns alle zusammen das Comeback des Pitchs feiern.